Der Bremer Kaufmann Adolf Lüderitz wollte Ende des 19. Jahrhunderts in Afrika Rohstoffe finden und reich werden. Damit begann eine geschichtliche Epoche im heutigen Namibia, die die Gegenwart noch immer überschattet. Es fing damit an, dass die Afrikaner beim Landkauf massiv betrogen wurden. Lüderitz kam bei der Suche nach Reichtümern ums Leben, sattdessen setzte ein Run ein auf das durch die betrügerische Inbesitznahme „freie“ Land. Aus den bedrängten Verhältnissen im damaligen Deutschen Reich wanderten entschlossene, zielstrebige zukunftsgläubige Männer aus. In kolonialen Schulen wurden Mädchen für sie als Farmersfrauen ausgebildet.
Alles Land, das grün aussah und Feldertrag versprach, wurde in Farmen aufgeteilt. Sehr viele davon sind noch heute im deutschen Besitz. Die Schwarzen wurden in den kargen Norden abgedrängt. Als Unruhen entstanden, wurden vom Deutschen Reich Soldaten, sogenannte „Schutztruppen“, angefordert.
Nach der willkürlichen Aufteilung Afrikas unter den Kolonialmächten 1884 hieß das heutige Namibia „Deutsch-Südwest-Afrika (SWA). Anfang des 20. Jahrhunderts kam es zum Herero-Aufstand. Es setzte eine unbeschreibliche Sklaverei ein und am Waterberg eine Schlacht, die die schwarze Bevölkerung durch Zerstören, Vergiften der Brunnen und Vertreibung in die Kalahariwüste katastrophal minimierte.
Im I. Weltkrieg verlor Deutschland seine Kolonien. Der Völkerbund gab England den Auftrag, SWA zu verwalten und in die Unabhängigkeit zu führen. Von England ging dieser Auftrag auf Südafrika über. Südafrika wollte das Land wegen seiner Bodenschätze behalten, was ihm bis 1990 gelang. Nach dem II. Weltkrieg, 1948, führte Südafrika in SWA die Apartheid ein, in der die schwarze Bevölkerung als letzte von 14 Gruppen völlig recht- und schutzlos jeder Willkür bis zum Mord ausgeliefert war. Erst 1990 erlangte Namibia seine Unabhängigkeit.
Gründung eines Hilfsvereins
Diesen gesetzlich verankerten Zustand lernte der Bremer Harald Schütt kennen, der als Sozialarbeiter ehrenamtlich im südlichen Afrika tätig war. Er kam nach Bremen zurück und gründete im September 1985 mit unserer Familie und Freunden den Verein, der heute PRAKTISCHE SOLIDARITÄT INTERNATIONAL e.V. (PSI) heißt.
Als erstes setzten wir uns mit der SWAPO in Verbindung (South West African People’s Organisation), der schwarzen Befreiungsbewegung. Diese aus der absoluten Verzweiflung geborene Selbsthilfeorganisation hatte gehofft, die Unabhängigkeit ohne Waffeneinsatz zu erreichen. Denn die Vereinten Nationen hatten in ihrer Resolution 435 erklärt, das Land würde zu Unrecht unterdrückt und ausgebeutet und müsste freigegeben werden. Südafrika hielt die Unterdrückung aber noch zehn Jahre lang aufrecht. Der dadurch gegen den ursprünglichen Beschluss der SWAPO mit Waffen geführte Befreiungskampf kostete viele Opfer und Ressourcen.
Auf Bitten der SWAPO sandten wir acht Container mit Hilfsgütern in ein Flüchtlingslager mit 40.000 namibischen Flüchtlingen in Angola. Wir waren 50 aktive Mitglieder und haben in ausschließlich ehrenamtlicher Arbeit Güter für 23 Container (15 nach der Unabhängigkeit direkt nach Namibia) gesammelt, hergestellt, gepackt und verschickt. Im Land haben wir die Hilfsgüter selbst in insgesamt 15 Monaten gewissenhaft verteilt. Edith Schütt hat dabei das ganze Land bereist und kennen gelernt. Sie hat gesehen, wie sich im Norden, wo die meisten Schwarzen leben, die Wüste weiter ausbreitet, wie für den dringendsten Bedarf nach Wohnstätten und Essenszubereitung weiterhin Bäume gefällt wurden, und wie die Bevölkerung auf dem ariden Boden und durch die unvorhersehbaren Wetterverhältnisse keinerlei Ernährungssicherheit hatte.
EM für die Projekte
Bald nachdem sie 2010 EM und den EM e.V. kennen gelernt hatte, machte Edith Schütt in ihrem Garten einen einfachen Versuch mit sterilem Sand und Bokashi und erhielt unerwartet dichtes, saftiges, grünes Gras. Der Verein beschloss, dieses Ergebnis auf Namibia zu übertragen und begründete das „Bodenverbesserungsprogramm für den Norden Namibias“. 2014 wurde in Zusammenarbeit mit der Nicht-Regierungsorganisation (NGO) Komeho in Kaisosi 16 frauengeführten Haushalten die Teilnahme an diesem Projekt ermöglicht.
Kaisosi liegt im Nordosten in der Region Kavango. Dort leben gut 200.000 Bewohner, 72 % auf dem Land. Etwa 30 % sind Analphabeten, nur 6,2 % haben einen Grundschulabschluss. Kaisosi ist ein Ort mit hoher Arbeitslosigkeit und extremer Armut. Nach der Unabhängigkeit wurde den ländlichen Bewohnern zwar kommunales Land zugeteilt, aber auf Grund der kargen Bodenbeschaffenheit und nur sporadischem Niederschlag besteht keine Nahrungs- und Existenzsicherheit. Die 16 Frauen, die ihre kleinen Anwesen allein führen, wurden zweimal wöchentlich unterrichtet. Sie lernten die Wirksamkeit der Effektiven Mikroorganismen (EM) kennen und wie sie EM selbst vermehren können. Warum?
Nahrungssicherheit
Ein zweites Thema ist die Erweiterung des Nahrungsangebotes. Das Grundnahrungsmittel ist die bisher in Monokultur angebaute Perlhirse. In unserem Projekt wurden verschiedene Arten Gemüse angebaut, und es war ein Fest, als die Frauen zum ersten Mal „grünes Essen“ aßen.
Zukünftig soll der Gemüseanbau Überschüsse erzielen, die auf dem Markt verkauft werden können. Durch die Stiftung Environmental Investment Fund (EIF) bekamen wir die Mittel, Moringa-Bäume anzupflanzen. Diese Bäume sind schnellwüchsig und von der Wurzel bis zur Krone gesund und für medizinische Zwecke verwendbar. Die Frauen lernten, die vorher in EMa eingeweichten Samen einzusetzen, die Setzlinge auszupflanzen, zu pflegen und bereits eine erste Ernte zu erzielen. Die abgestreiften Blätter ergeben einen gesunden Tee und werden vermarktet. Zum ersten Mal erzielten die Frauen Geld für ihren Einsatz.
Die entscheidende Frage der Wasserversorgung wurde durch eine Brunnenbohrung und Anlage einer solarbetriebenen Pumpeinrichtung mit Vorratssilos durch zwei Rotarierclubs gelöst. Jede der Frauen erhielte einen Hipporoller – ein Wassertank zum Ziehen mit 90 Liter Fassungsvermögen. So konnten alle Aussaaten und Anpflanzungen regelmäßig gegossen werden. Um die Pflanzen optimal zu versorgen, möchten wir gern Bokashi herstellen, weil es aber kaum Küchenabfälle und nur sehr wenig organisches Abfallmaterial gibt, ist dies ein Zukunftsprojekt.
Die Frauen konnten also ihre Pflanzungen „lediglich“ mit einem Zusatz von EMa in jeder Gießkanne versorgen. Der Erfolg überraschte uns selbst: Die Anzahl der aufgegangenen Sämereien, die Größe, Dichte und Widerstandskraft der Pflanzen – Hirse, Gemüse und Bäume – und kein Befall von Ungeziefer ergaben ein überzeugendes Ergebnis im Gegensatz zu den Pflanzen, die zur Kontrolle ohne EM versorgt wurden.
Im Januar 2017 beginnen wir ein zweites Projekt mit weiteren 20 frauengeführten Anwesen und erhoffen uns weitere Erfahrungen, Anregungen und Erfolge. Das Endziel ist die Verbesserung der Lebensumstände der Bevölkerung, die Unterbindung der Ausbreitung der Wüste und durch die Wiederaufforstung die Verbesserung der Klimabedingungen auf lange Sicht. Dafür brauchen wir viel Unterstützung, denn es ist schwer an Fördergelder zu kommen. Und jeder Euro hilft wirklich, weil so gut wie kein Geld für Verwaltung anfällt.