Nachtrag zur Titelgeschichte des EMJournals 59, in der über die Fermentation von Herbstblättern in der niederländischen Gemeinde Hengelo berichtet wird.
Über die Begeisterung hinaus, dass eine Gemeinde mitten in Europa so konsequent EM einsetzt, waren viele Leser irritiert über die Art der Fermentation. Deshalb haben wir Jan Feersma-Hoekstra von dem niederländischen EM-Produzenten AGRITON gebeten, diese Fragen zu beantworten. Der Anlass war die Öffnung der 900 Tonnen Laub-Bokashi Anfang April 2017, das im Herbst angesetzt worden war. Die Gemeinde Hengelo ist offenbar so zufrieden, dass sie die Menge in diesem Herbst noch einmal steigern möchte!
Doch vorab ein paar grundsätzliche Bemerkungen zu dem Begriff Fermentation:
Früher schlug man in Lexika nach, heute bemüht man Wikipedia. Dort heißt es „Die Fermentation ist eine enzymatische Umwandlung organischer Stoffe.“ Was sind Enzyme? – Ein anderes Wort für Enzyme ist Fermente. Das lateinische Wort fermentum bedeutet Sauerteig. Louis Pasteur, der den Begriff in der Biologie begründet hat, bezeichnete damit einen Prozess unter Luftabschluss.
In diesem Zusammenhang stößt man auf den Begriff Gärung. Sie läuft ausschließlich anaerob, also ohne Sauerstoff ab. Fälschlicherweise wird gelegentlich Gärung auch als Synonym für Fermentation benutzt. Letztere schließt aber sowohl aerobe Vorgänge (z.B. die Essigsäuregärung) – auch als „oxidative Gärung“ bezeichnet – als auch gänzlich andere mikrobielle oder autolytische enzymatische Prozesse (z.B. die Matjesreifung) ein.
Eine Fermentation kann durch die Zugabe von Mikroorganismen in Gang gesetzt werden oder durch die Zugabe von Enzymen (Fermente). Fermentation unter Luftabschluss ist z.B. Milchsäuregärung und die akoholische Gärung (durch Hefen); Beispiele für die Fermentation mit Sauerstoff sind etwa Reifung von Heringen (Matjes) oder von Teeblättern für den schwarzen Tee.
Fragen an Jan Feersma-Hoekstra von der Firma Agriton, die in den Niederlanden als Partner von Prof. Higas Organisation EMRO das original EM·1 produziert und die EM-Produkte vertreibt. Jan ist einer der beiden Geschäftsführer der AGRITON, zusammen mit Simone Voss hat er den EM-Einsatz in Hengelo begleitet.
EMJournal: Wir haben zum ersten Mal genauer darüber berichtet, wie die Fermentation im System Agriton funktioniert. Viele Leser waren irritiert über den hohen pH-Wert. Vor allem, weil Prof. Higa immer schreibt, die Fermentation (z.B. von EMa und Bokashi) muss unbedingt unter pH 4 bleiben.
Jan: Ich verstehe die Irritation, aber man soll sich nicht irritieren lassen, sondern sich informieren! Wenn die Fermentation mit Essig bildender Mikrobiologie anfängt, werden Zucker und einfache Stärkemoleküle zu Essig und Milchsäure umgebaut. Der Prozess geht bis zu einem pH-Wert von 3.5-4 ganz schnell und stagniert dann, auch wenn noch immer Zucker und Stärke vorhanden ist.
Ein Nachteil einer nicht kompletten Fermentation ist, dass man Nacherwärmung bekommen kann, und zwar, wenn das Bokashi wieder mit Sauerstoff in Kontakt kommt. Deshalb bringen wir in das Bokashi einen bestimmten Anteil langsam löslichen Kalk ein. Die Mikrobiologie arbeitet weiter und alle löslichen Kohlehydrate werden umgewandelt. Mit einem niedrigen pH-Wert ist ein Produkt meistens stabil. Aber wenn man noch zu viel austauschbare Energie hat, ergibt das in Kontakt mit Sauerstoff wieder Futter für die aeroben Mikroben – was man natürlich vermeiden will.
EMJournal: Wir wissen ja, dass jede MO-Art einen eigenen sehr beschränkten pH-Bereich bevorzugt. Was passiert mit den Effektiven Mikroorganismen, wenn der pH-Wert durch diese Zugaben hochgepegelt wird?
Jan: Die Mikroben arbeiten weiter. Das Dominanz- Prinzip bleibt erhalten. Nur ein Teil der von den Mikroorganismen gebildeten Säure wird durch die Zugaben neutralisiert; Milchsäurebakterien arbeiten auch gut im höheren pH-Bereich.
EMJournal: Sind es andere MO, die dann zum Zug kommen? Gehören sie auch zur Gruppe der EMs? Was geschieht mit den EMs bei diesem Prozess? Entstehen dann auch andere Stoffwechselprodukte? Welche Bedeutung haben die EMs in diesem Prozess?
Jan: Wenn man die Säure nicht neutralisiert, stoppt der Prozess normalerweise bei pH 3.5 bis 4.2. Mit den Zusatzstoffen wird ein Teil des Wasserstoffs (H)+ gepuffert und ein Teil umgebaut. Deshalb ist das Endprodukt auch anders. Aber es hat noch immer einen sehr hohe Düngewert für den Bodenorganismus.
EMJournal: Kann man sagen, dass durch die Zugabe von Seemuschelkalk und Bentonit ein früher Vererdungsprozess eingeleitet wird – wie er sonst (z.B. beim Küchenbokashi erst nach erfolgreicher Fermentation erfolgt?
Jan: Das stimmt. Das Produkt ist leichter von den Bodenorganismen zu nutzen.
EMJournal: Geht auch ein anderer Kalk?
Jan: Das geht, solange man ein langsam löslichen Kalk nimmt. Nimmt man einen schnell löslichen Kalk, geht der pH-Wert zu schnell hoch und die Mikroorganismen sterben ab.
EMJournal: Gehen auch andere Gesteinsmehle?
Jan: Auch das geht. Aber Montmorillonit hat eine sehr hohe Bindungsfähigkeit. Von andere Gesteinsmehlen müsste man dann erheblich mehr nehmen.
EMJournal: Habt Ihr mit Pflanzenkohle experimentiert? (hat auch einen hohen pH)
Jan: Damit haben wir noch nicht gearbeitet.
EMJournal: Früher sagte man, dass Kalken reiche Väter und arme Söhne macht. Baut kalk nicht Humus ab?
Jan: Stimmt. Wann man kalkt, wird Humus abgebaut. Und mit unserem Seemuschelkalk geht auch ein wenig organische Substanz im Kohlendioxid verloren. Aber mit dem Kondenswasser wird das wieder in die Miete geleitet und von den Mikroorganismen genutzt.
EMJournal: Bei einem saurem Prozess (z.B. Silage) entsteht ein angenehmer, fruchtiger Geruch. Das Endprodukt der Fermentation im höheren Bereich riecht aber anders, nicht so angenehm, nicht frisch und fruchtig. Ist es dennoch ok?
Jan: Nach diesem Prozess riecht das Endprodukt noch immer sehr angenehm. Etwas weniger sauer, aber trotzdem frisch!
EMJournal: Herzlichen Dank, Jan, für Deine Auskunft und weiterhin viel Erfolg!