Den Kreislauf wieder schließen – Eine kleine Geschichte der Toilette (1)

Nie zuvor gab es auf der Welt eine so hohe Nachfrage nach Wasser. Die Wasserversorgung ist eines der großen UN-Millenniumsziele. Die UNESCO schätzt, dass 5 Milliarden Menschen auch im Jahr 2030 allenfalls unhygienische Latrinen nutzen werden. Die Folgen sind bereits heute weltweit sichtbar.

Unsauberes Trinkwasser hält Menschen in Armut und macht sie krank. 80 Prozent der Krankheiten in Entwicklungsländern hängen mit Wasser zusammen, allein an Durchfall stirbt alle 17 Sekunden ein Kind. Bevölkerungswachstum, steigender Lebensstandard und Konsum werden den heute bereits eklatanten Wassermangel in vielen Regionen weiter verschärfen. Über einer Milliarde Menschen ist der Zugang zu sauberem Trinkwasser verwehrt, mehr als zwei Milliarden haben keine Möglichkeit, sanitäre Anlagen zu nutzen. Die Spültoiletten, Schwemmkanalisation und Kläranlagen, einst als große zivilisatorische Errungenschaft gefeiert, erweisen sich bei näherer Betrachtung als folgenschwere Fehlentwicklung. Häusliche Abwasser werden bei uns mit rund 100 Liter Trinkwasser pro Tag und Person verdünnt und müssen dann in der Kläranlage mit viel Energie gereinigt werden. Dabei werden nicht nur Energie und Wasser verschwendet, sondern auch die darin enthaltenen Nährstoffe weitgehend vernichtet oder in die Meere abgeleitet. Schlimmer ist noch, dass trotz des hohen Aufwandes an Geld und Technik der Reinigungserfolg nicht vollständig ist.

Weiterhin entsteht Klärschlamm, den kaum noch jemand will. Dieses nasse stinkende Zeug wird in vielen Städten wieder mit viel Energie getrocknet, um es schließlich zu verbrennen. Die Asche ist so giftig, dass sie deponiert werden muss. Effektive Mikroorganismen können die schlimmsten Folgen abmildern, aber sie können noch viel mehr. Effektive Mikroorganismen können den Anstoß für eine zukunftsfähige abwasserlose Siedlungswasserwirtschaft geben.

Wie ist es dazu gekommen?

Eine Ursache für diese Fehlentwicklung ist eine Entfernung von der Natur, eine Verarmung des Wissens über natürliche Prozesse und ein weit verbreitetes falsches Hygieneverständnis. Wir wollen kaum noch wahrnehmen, welche Folgen unser Umgang mit der Natur hat, wie wir Rohstoffe verschwenden und unsere Gesundheit und Lebensqualität beeinträchtigen. Insbesondere gibt es eine verbreitete Furcht vor Mikroorganismen, den ältesten Lebewesen auf der Welt. Es ist ein großes Verdienst von Prof. Higa und vielen engagierten EM-Beratern und EM-Anwendern, dass durch den Einsatz der Effektiven Mikroorganismen ein viel besseres Verständnis für die Kreisläufe in der Natur wachsen kann. In der Natur gibt es weder Abfälle noch Abwasser. Niemand würde einem Baum vorwerfen, Wasser zu verbrauchen, denn gleichzeitig sorgt er für Regen, saubere Luft und Abkühlung. Abwasser und Abfälle sind eigentlich wertvolle Ressourcen. In der Natur ist der Kreislauf intakt. Ausscheidungen und alle anderen organischen Stoffe kommen dorthin zurück, wo gefressen wurde. Der lebendige, gesunde Boden verdaut alles zur erneuten Aufnahme durch Pflanzen, die wieder von Tieren gefressen werden. Dieser Kreislauf wird von allein immer fruchtbarer und lebendiger. Hans-Peter Rusch nannte das den „Kreislauf der lebendigen Substanz“.

Die Natur macht uns vor, wie wir besser mit unseren Ressourcen umgehen können, und es gibt heute genügend Erkenntnisse und technische Möglichkeiten, dies auch tatsächlich zu tun. Unsere Gesellschaft kann werden wie die Bäume, die mit jedem Liter Wasserverbrauch die Welt lebendiger machen. Wie war es vor der Industrialisierung, als es noch keine Kunstdünger, Pestizide und Agro-Gentechnik gab? In allen Kulturkreisen, auch in Deutschland, gab es eine Zeit, in der es zur Höflichkeit gehörte, nach dem Besuch eines Festmahls auf dem Bauernhof den Abtritt aufzusuchen. Der befand sich meist nahe dem Misthaufen und trennte feste und flüssige Bestandteile. Der Misthaufen war zudem das Statussymbol eines gut geführten Bauernhofes. Er wurde sorgfältig gestapelt und behandelt. Das Ansetzen hat viele Ähnlichkeiten mit Bokashi, wie wir heute dank des respektvollen Erfahrungsaustausches mit Japan wissen.

Auf dem Weg zu einer besseren Lösung

Um zu besseren Lösungen zu gelangen, sollte man zunächst versuchen, das Ganze zu verstehen. Wir müssen regelmäßig essen und trinken. Wir ernähren wir uns von Pflanzen und Tieren, die Sonnenenergie speichern und dabei den Böden zahlreiche Stoffe entziehen. Werden diese nicht wieder ersetzt, verarmt der Boden langsam aber sicher und verliert seine Fruchtbarkeit. Dies betrifft sowohl konventionelle wie Biobetriebe, da menschliche Fäkalien nicht in den Kreislauf zurückkommen, aber Lebensmittel verkauft werden. Aus der Nahrung gewinnen wir unsere Lebensenergie. So werden durch eine kluge Transformation, an der in unserem Darm und im Boden riesige Mengen von Mikroorganismen beteiligt sind, aus der Sonnenenergie unsere Körperwärme sowie die innere und äußere Bewegung. Unser Körper trennt feste und flüssige Stoffe perfekt: wir pinkeln nach vorn und scheißen nach hinten. Wir scheiden pro Tag rund ein bis zwei Liter Urin und bis zu 500 Gramm Fäkalien aus. Urin ist weitgehend steril und enthält viel Stickstoff und Salze. Die Fäkalien sind ein Gemisch aus verdauten Nahrungsresten, Darmbakterien und abgestorbenen Zellen. Geruch, Farbe und Aussehen geben Auskunft über unseren Gesundheitszustand und Wohlbefinden. Das weiß jeder Arzt, und wir brauchen nur etwas Mut, um wieder hinter uns zu schauen, um wieder mehr über uns zu erfahren. So kann man auch selbst die positive Wirkung von effektiven Mikroorganismen und gesunden Lebensmitteln auf die Verdauung und die Mikroorganismen im Darm erfahren.

Der Umgang mit unseren inneren Werten wird jedoch stark durch das gesellschaftliche Verständnis für unseren eigenen Körper geprägt. Die Ausscheidungsprozesse sind heutzutage ein Tabu. Die körperliche Verrichtung ist sehr intim geworden. Bei der Benutzung von Toiletten gibt es ein hohes Maß an Gewohnheit und Vertrautheit. Es gibt große Unterschiede zwischen den Geschlechtern und Kulturen. In unserer industrialisierten Welt ist insbesondere die Fähigkeit zu ganzheitlichem vernetzten Denken und Handeln verloren gegangen. Wir sollten wieder lernen, unsere von der Natur gegebene perfekte Stofftrennung besser zu nutzen. Z.B. produziert jeder von uns im Jahr vier bis fünf Kilogramm Stickstoff. Davon sind ca. 90 % im Urin und 10 % in den Fäkalien enthalten. Werden der sterile stickstoffreiche Urin mit den bakteriell noch sehr aktiven Fäkalien vermischt, fangen die Probleme an, wie man schnell riechen kann. Die dadurch schnell einsetzende Fäulnis führt zu üblen Gerüchen und gefährlichen Infektionsquellen. Mit der Trennung und der richtigen Weiterbehandlung werden unsere Ausscheidungen zu einem Wertstoff, mit dem man genau die Fläche düngen kann, die ein Mensch braucht, um sich vollständig zu ernähren. Beispielsweise könnten damit mindestens 200 kg Getreide pro Jahr erzeugt werden. Es ist sogar möglich, mit einer wachsenden Anzahl von Menschen, immer mehr fruchtbare Böden und damit ausreichend Lebensmittel ohne Kunstdünger, Pestizide und Agro-Gentechnik zu produzieren. Das Wissen darüber ist weitgehend verloren gegangen. Zum Glück gibt es davon aber noch zahlreiche Spuren, die es wieder zu entdecken gilt. Die Nutzung der segensreichen Wirkung der effektiven Mikroorganismen im gesamten Kreislauf von Boden, Pflanze, Tier und Mensch eröffnet dabei völlig neue Perspektiven.

Die Geschichte der Toilette

Wenn man etwas über die Geschichte der Toiletten erfahren will, dann steht meistens die Spültoilette im Vordergrund. Doch wie hat sich entwickelt was uns heute gewohnt und vertraut ist? In Folge der zentralen Trinkwasserversorgung wurden ab 1900 zunehmend Spültoiletten in Privathaushalten installiert. Noch Mitte der Fünfziger Jahre des 20. Jhd. hatten jedoch nur rund 30% der Haushalte in Deutschland ein innen liegendes WC. Wie alles begann: Wahrscheinlich gruben die nomadisierenden Völker außerhalb ihrer Lager ein Loch in die Erde, schütteten es zu und fertig. Sie zogen irgendwann weiter und keinen kümmerte es. Von diesem Loch in der Erde, das nach einmaliger Benutzung zugeschüttet wird, berichtet auch die Bibel im Alten Testament: „Und du sollst draußen vor dem Lager einen Platz haben, wohin du zur Notdurft hinausgehst. Und du sollst eine Schaufel haben und wenn du dich draußen setzen willst, sollst du damit graben; und wenn du gesessen hast, sollst du zuscharren, was von dir gegangen ist.
5. Mose 23 (LUT)“

Im Laufe der Zeit wurden die Völker sesshaft. Dadurch haben einige gelernt, anders mit ihren organischen Abfällen umzugehen, beispielsweise die Indios im Amazonasgebiet. Durch das Vermischen der Fäkalien mit Holzkohle und sorgfältigem Stapeln mit Küchenabfällen sind bereits vor 7000 Jahren fruchtbare schwarze Gartenböden entstanden, die uns heute als Terra Preta de Indio bekannt sind. Doch dieses Wissen wurde lange nicht wahrgenommen. Archäologen haben im heutigen Indien/Pakistan Sitztoiletten mit Abflussleitungen, Gefälle und Bitumen-Abdichtungen aus der Mitte des 3. Jahrtausends v. Chr. gefunden. In Mesopotamien soll es bereits 2400 v. Chr. nebeneinander liegende Sitztoiletten mit asphaltverkleideten Rinnen und Wassergefäßen neben der Toilette gegeben haben. Um 1700 v. Chr. haben die Minoer auf Kreta und Santorin offenbar wassergespülte Toiletten mit Holzsitzen gebaut. Die Wassertoiletten waren in den Palästen. Aber ist die Masse der Menschen so mit ihren inneren Werten umgegangen?

Der zweite Teil dieses Artikels im EMJournal 37 beschäftigt sich mit der weiteren Geschichte der Toilette durch die Jahrhunderte und schlägt die heute sinnvollste Lösung für die Nutzung unsere Ausscheidungen vor.

Marko Heckel/Dr. Haiko Pieplow

 

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