Ausgehend von der weltweiten Sorge um Trinkwasser beschäftigten sich unsere Autoren Marko Heckel und Haiko Pieplow im vorigen EMJournal mit der Geschichte der unsinnigen Trinkwasservergeudung durch Wasserspülklosetts und die damit verbundene zentrale Abwasserentsorgung. Dem stellten sie die Bedeutung der menschlichen Fäkalien als wertvolle Düngerstoffe gegenüber. Sie begannen die Geschichte der Entsorgung menschlicher Fäkalien in den Zivilisationsgesellschaften zu erzählen, die wir hier fortsetzen, um schließlich auf eine durch die EM-Technologie machbar gewordene Alternative zu verweisen.
Viele haben sicher gehört, dass die Römer ein ausgeklügeltes Abwassersystem gehabt haben sollen. In Rom wurden öffentliche Toiletten vom Staat betrieben oder an Pächter vermietet. So gab es im 4. Jhd. n. Chr. 144 Latrinen und 254 Pissoire. Zu dieser Zeit lebten in Rom bis zu 1,5 Millionen Menschen auf sehr engem Raum – 110.000 Menschen pro km² (zum Vergleich: München hat Ende des 20. Jhd. 4.200 pro km²). Die Latrinen waren öffentliche Anlagen mit mehreren Sitzen in einem Raum. Aus dem verschütteten Pompeji ist die Inschrift eines Pächters überliefert, der mahnend an die Häuserwände schrieb: „Cacator cave malum! Aut si contempseris, habeas Jovem iratum!“ – „Hüte Dich, auf die Straße zu kacken! Sonst wird dich Jupiters Zorn treffen!“ Jupiter war der Sohn Saturns, u.a. auch für den Ackerbau zuständig, der auch unter dem Namen Stercutius den Menschen den Umgang mit ihren Ausscheidungen und die Düngung der Felder gelehrt hat.
Die römischen Pissoire wurden von Urinsammlern betrieben. Der Urin wurde zum Waschen, Färben und Gerben verwendet. Kaiser Vespasian besteuerte den Harn, überliefert ist die Bemerkung zu seinem Sohn Titus: „Pecunia non olet“ – Geld stinkt nicht. Die Prachtlatrinen waren ein Treffpunkt mit Luxus: Säulen, Mosaiken, Fußbodenheizung und rezitierenden Dichtern. Sicher war es kein „Stilles Örtchen“; dort wurden Geschäfte gemacht, es entstanden Latrinenparolen, denn es gab Platz für 50 bis 60 Leute. Als das römische Reich um 600 n. Chr. zerfiel, geriet das Wissen über die sanitären Anlagen und die Hygiene in Vergessenheit – alles was die Hochkulturen in den vergangenen Jahrtausenden erfunden und installiert hatten. Man hauste in zugigen Burgen und für Körperhygiene war nicht viel Zeit, man entleerte sich dort, wo es gerade nötig war. In den Burgen gab es Abtrittswinkel, wo man sich hinhockte und alles in den Burggraben platschen ließ. Als erstes wurde dann in Klöstern wieder Wasser für hygienische Zwecke genutzt, die Abtritte wurden so in die Anlagen integriert, dass zum Beispiel ein Fluss die Ausscheidung wegspülte. Ansonsten war die Bevölkerungsdichte so gering, dass die Entsorgung der Fäkalien noch kein wichtiges Problem darstellte. Normalerweise waren die Aborte noch außerhalb der Wohngebäude, innerhalb gab es verschiedene Gefäße: Eimer, Nachttöpfe, Leibstühle. In der mittelalterlichen Stadt rannten noch Schweine und Hühner umher, es gab Misthaufen, neben denen das Plumpsklo stand. Im Nachttopf wurde der Urin gesammelt und damit der Garten gedüngt. Organische Abfälle wurden erst wider zu Unrat, als die Menschen durch die Arbeitsteilung den Zugang zur Natur verloren.
1596 erfand der Engländer Sir John Harrington ein Klosett, eine Konstruktion einer wassergespülten Toilette mit Spülkasten und Ventilverschluss. Das Unglück nahm seinen Lauf. Ausstellungstipp: Sonderausstellung der Staatlichen Schlösser und Gärten im Kloster Schussenried: „Das stille Örtchen – Tabu und Reinlichkeit bey Hofe“ 1.4. bis 18.9.2011, Bad Schussenried (BadenWürttemberg). Die Entwicklung der heutigen Sanitärtechnik war damit eingeleitet. Doch lange Zeit fristete diese Erfindung ihr Dasein lediglich in wenigen königlichen und adeligen Gemächern. Sir Harrington, das Lieblingspatenkind von Königin Elisabeth I., installierte sein Meisterwerk für sie in Richmond Palace. Man sagt, sie habe die praktischen Vorzüge dieser Einrichtung zu schätzen gewusst, doch Harrington sah sich wegen seiner „anstößigen“ Erfindung dem Spott der Leute ausgesetzt. Daraufhin baute er nie wieder ein Wasserklosett. Wussten die Spötter mehr als wir ihnen zutrauen? Bei der Geschichte der Toilette sollte auch der legendäre Thomas Crapper erwähnt werden. Er war ein findiger Entwickler von Sanitärartikeln und er hat, entgegen der herkömmlichen Meinung, die Toilette nicht erfunden. Es ist zwar nicht gänzlich unumstritten, doch es entspricht der landläufigen Auffassung, dass Mr. Crappers Name den Ursprung der englischen Wörter »crap« („scheißen“) und „crapper“ („Scheißhaus“) bildet. Amerikanische Soldaten, die im Ersten Weltkrieg in England stationiert waren, gewöhnten sich angeblich daran, dass der Schriftzug „Thomas Crapper & Co.“ auf den Porzellanschüsseln prangte. Es dauerte nicht lange, ehe sie sich entschuldigten, um zum „Crapper“ zu gehen. Thomas Crapper & Co. ist heute ein florierendes Unternehmen und hat sich auf Originalnachbildungen ausgefallener viktorianischer Klosetts spezialisiert.
Die nächste Weiterentwicklung geschah dann erst 1775, ebenfalls durch einen Engländer. Alexander Cummings konstruierte ein Spülklosett aus Metall mit einem verbesserten Geruchsverschluss. Nun folgten viele verschiedene Varianten und technische Raffinessen, Klappen-, Pfannen- und Trichterklosetts. Den größten Fortschritt brachte der Einsatz von Keramik. Diese wurden 1870 ebenfalls in England hergestellt. Es wurden große Stückzahlen möglich. Flachspül-, Tiefspül- und Absaugklosetts sind bis heute in abgewandelter Form in Gebrauch. Wasser war wertvoll und dessen Beschaffung mühsam. So sind die Voraussetzungen für Wassertoiletten ein zuverlässiges, leitungsgebundenes Wassersystem, das etwa ab 1900 mit sehr viel Kapitalaufwand in den westlichen Städten seinen Einzug fand. Der Wunsch und der Drang nach einer sicheren Versorgung mit Trink- und Löschwasser machten blind vor den Folgen der Abwasserentsorgung. End-of-pipe-Technologien wie Kläranlagen sollten die damit verbundenen Probleme lösen.
Erste sinnvolle Alternativen
Heute ist fast vergessen, dass es um 1900 einen heftigen Streit um den richtigen Weg der Siedlungswasserwirtschaft gab, der zu Gunsten der kapitalintensiven Wasserleitungen entschieden wurde. Abwasserkanäle für die später noch teureren Abwasserbehandlungsanlagen kamen hinzu. Zur Reinhaltung der Städte hatten sich auch Tonnensysteme und Poudrette-Fabriken entwickelt, die einen begehrten Dünger herstellten. Die zentrale Trinkwasserversorgung erzeugte bald soviel Abwasser, dass diese Systeme technisch überfordert waren und nach und nach verdrängt wurde. Die letzte Tonne ging offiziell in den 70er Jahren in Weimar außer Betrieb. Poudrette (Staubdünger), abgeleitet vom franz. poudre (Pulver, Staub), war eine früher weit verbreitete Art des Fäkaldüngers, der Anfang des 19. Jahrhundert aufkam und bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts in Europa in der Landwirtschaft sowie im Wein- und Gartenbau Verwendung fand. Der Dünger wurde durch Ansäuern und Trocknen von menschlichen und tierischen Exkremente gewonnen, die mit trockenen Substanzen wie Erde, Torf, Kohlenpulver, Asche, Fleisch- und Kotabfall, Kehricht, Ziegelpulver etc. gemischt wurden. Die Poudrette bildet eine dunkel bis schwarze pulverförmige Masse von großer Wasserspeicherfähigkeit und ist deshalb vor allem geeignet für Sandboden; sie kann zu jeder Pflanze und sowohl zur Saat wie während des Wachstums verwendet werden, da sie den Wurzeln nicht schadet. Poudrette stammte ursprünglich aus Frankreich, wo diese Art von Dünger in Paris erstmals angeboten wurde. Da er später aber vor allem in Deutschland produziert wurde, nannte man ihn auch deutscher Guano. Die erste deutsche Poudrette-Fabrik wurde bereits unter Friedrich Wilhelm III. am Berlin Tempelhofer Berge vor dem Hallischen Tor errichtet nach einem Patent von Louis Fauche-Borrel. Diese Verfahren erwiesen sich aber als unrentabel. Ganz anders das Verfahren des Fuhrunternehmers Heinrich Alfes („Schieten-Alfes“), der in Bremen das Monopol zu Fäkalienabfuhr besaß und der durch die Poudrette-Produktion zu beträchtlichem Reichtum gelangte.
Humustoiletten für blühende Gärten
Gibt es Alternativen? Ja, seit langem sind sie bekannt. Eine Humustoilette ist nicht nur wassersparend oder wasserlos, mit ihr kann auch fruchtbare Erde wie Terra Preta für Garten und Balkon produziert werden. Schaut man sich die Humustoiletten genauer an, so sind sie eine moderne Form des guten alten Plumpsklos. Viele brauchen ein Abzugsrohr oder Strom für den sicheren Betrieb. Durch Öffnungen können Gerüche und Insekten sehr schnell Probleme machen. Effektive Mikroorganismen können Abhilfe schaffen. Doch das Gute kann man verbessern, wenn man die Schwachstellen ernst nimmt. Nach ein paar Sitzungen fiel bei Marko Heckel und Haiko Pieplow der Groschen. Trennt man den Urin ab und verschließt man die Toilette luftdicht, braucht man keine Lüftungsrohre mehr. Die anaerobe Trockentoilette war geboren. Damit keine Faulgase den Deckel anheben, kommt Holzkohlepulver, EM und Gesteinsmehl dazu (z.B. TriaTerra-Streu). EM verhindert die Fäulnis und Holzkohle und Gesteinsmehl binden zuverlässig die Gerüche und Nährstoffe. Fäkalien werden zu einem begehrten Rohstoff zur Bildung von Humus. Urin wird zu Goldwasser. Man kann sich damit kleine Paradiese schaffen. Die Aufstellung und der Betrieb der anaeroben Trockentoilette ist denkbar einfach und beflügelt die Kreativität ihrer Besitzer. Inzwischen gibt es zahlreiche Lösungen, die das stille Örtchen zu einem besonderen Ort machen.
Dank EM kann wieder gethront werden.
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