Natural Farming: Pflanzendünger aus fermentiertem Kuhdung

Das Team der Nichtregierungsorganisation SSIAST im südindischen Bangalore mit verschiednene selbst hergestellten Düngepräparaten in einem Workshop über Natural-Farming-Methoden.

Natural Farming: Pflanzendünger aus fermentiertem Kuhdung

Julia Köninger studierte an der Technischen Universität München Nachhaltiges Ressourcenmanagement mit dem Fokus auf Bodenkunde und Landwirtschaft. In ihrer Mas-terarbeit untersuchte sie die aktuelle Natural-Farming-Bewegung in Indien auf deren Erfolgsfaktoren und erarbeitete, was die Landwirtschaftspolitik der Europäischen Union von dieser Initiative lernen kann.

Julia Köninger liefert einen Querschnitt ihrer Untersuchung zur Anwendung indischer Düngemethoden.

Ihre Recherche stellte die Wirkung selbst hergestellter Präparate in den Fokus und analysierte, wie die Vielfalt der Lebewesen im Boden davon profitiert. Auffallend: Das Ergebnis des neuesten Forschungsstandes ähnelt bewährten, oftmals in Vergessenheit geratenen Methoden.

Julia Köninger berichtet von ihren Erfahrungen:

Die in Indien zunehmend an Bedeutung gewinnenden traditionellen Düngemethoden habe ich in meiner Masterarbeit untersucht und mit aktuellen Studien und Forschungsergebnissen verglichen – insbesondere im Hinblick auf die Funktion der Biodiversität des Bodens. Um diese Methoden in der Praxis kennenzulernen, reiste ich nach Indien und habe dort Landwirte und Organisationen interviewt, die allesamt von einem wirksamen Bodenmobilisator überzeugt sind: Einer klebrigen Masse aus Kuhdung, Kuhurin, Linsenmehl, Rohrzucker und lokalem Boden, ge-formt zu kleinen Kugeln. Im weiteren Verlauf wird beschrieben, wie diese Kugeln sowie ein flüssiges Düngepräparat (ebenfalls mit Dung und Urin) mit Hilfe diverser lokaler Mikroben wild fermentiert werden. Neben anderen bodenschonenden Vorgehensweisen sorgt dieses Verfahren für eine erhöhte Mikroflora im Boden und eine bessere Pflanzenverfügbarkeit der Nährstoffe.

Selbst hergestellte Präparate auf Basis von Kuhdung

Viele Rezepte der indischen Methode wurden bereits vor 5.000 Jahren in vedischen Schriften erwähnt. Nun bestätigen aktuelle Publikationen die Funktionen und die Grundthesis indischer Methoden: Eine hohe Biodiversität des Bodens erhöht dessen Fruchtbarkeit. Wissenschaftliche Veröffentlichungen kommen vermehrt zu dem Ergebnis, dass diverse Bodenorganismen eine bessere Bereitstellung von Pflanzennährstoffen begünstigen, denn diese hängen essenziell von der Aktivität der Bodenmikroben ab. Sowohl Pilz- als auch Bakterienkulturen lösen notwendige Mineralien und Spurenelemente als lebensnotwendige Nährstoffe für die Pflanzen.

Dieses Prinzip wird in indischen Präparaten aufgegriffen: Die durchgeführte aerobe Fermentation (unter Sauerstoffzufuhr) vermehrt lokale Mikroorganismen, die sich sowohl im Dung der Tiere, die in der Umgebung grasen, als auch im lokalen Boden befinden. Positive Effekte des verwendeten Kuhdungs werden in Indien vor allem den indigenen Rinderrassen und deren Mikroorganismen zugeschrieben, da sich deren Darmbakterien im Lauf der Evolution an die lokalen Standortbedingungen angepasst haben. Die Mikroorganismen ihrer Darmflora sind somit im Boden besonders überlebensfähig und wirken sich förderlich auf die Nährstoffversorgung der Pflanzen aus. Bei dieser Methode spielt die Gesundheit der Kühe und das Futter eine wichtige Rolle. Je weniger Energiefutter, desto mehr nützliche Darmbakterien können in den Mixturen kultiviert werden. Erste Studien weisen darauf hin, dass auch fermentierter Dung von frei grasenden Schafen, Ziegen und Büffeln zu vergleichbaren Ergebnissen führt.

Ähnlich der kulturellen Diversität des Landes, variieren auch die Rezepte der Mixturen in Indien. In einigen Regionen beinhalten Rezepte neben dem Dung und Urin heimischer Rinder auch deren Milch, Ghee (geklärte Butter) und Quark. In Deutschland ähneln die Rezepte den Praktiken und Präparaten, die im Demeter-Standard Anwendung finden.

Natural Farming

Für die beschriebenen traditionellen Rezepte hat sich in weiten Teilen Indiens die Bezeichnung Natural Farming als Überbegriff etabliert und ist zu einer regelrechten Bewegung mutiert. Landesweite Workshops des Landwirts und Gurus Subhash Palekar, mit denen er bis zu 5.000 Teilnehmer je Workshop erreicht,  haben erheblich zur Verbreitung beigetragen. Die von Palekar gelehrten Praktiken ergänzen die traditionellen Methoden mit eigenen Erfahrungswerten und modernen wissenschaftlichen Erkenntnissen, wobei er vier Grundsäulen der Natural-Farming-Methode hervorhebt:

  1. Jivamrut/Jeevamrutha: Mixtur zur Bodenstärkung aus frischem Rinderdung, Rinderurin (für einen höheren Stickstoffgehalt im besten Fall eine kurze Zeit stehen-lassen), Proteine aus Hülsenfrüchtemehl (wie Erbsen- oder Linsenmehl), einer Zuckerquelle (Rohrzucker) und lokalem, „unberührtem“ Boden. Alle Produkte werden vermischt und für zwei Tage fermentiert, wobei die Mischung täglich dreimal umgerührt wird. Eine Stoff-Abdeckung (zum Beispiel aus Jute) schützt vor der Kontamination mit Fremdkörpern wie Insekten und stellt gleichzeitig die Sauerstoffversorgung der Mikroorganismen sicher. Die Präparation sollte innerhalb von zwei Wochen verwendet werden.

Jivamrut: Die angesetzte Dünge-Mixtur wird bei der zweitägigen Reifung mehrmals umgerührt.

  1. Bijamrita/Beejamrutha: Mixtur zur verbesserten Keimung des Saatguts. Vor der Aussaat wird das Saatgut in eine Mixtur aus Rinder-Dung, Rinder-Urin, Limette, lokalem Boden und gegebenenfalls etwas Kalkstein gegeben, welche zuvor fermentiert wurde.Nachdem das Saatgut in der Mischung eingeweicht oder eingetunkt wurde, wird das Saatgut getrocknet. Diese Behandlung erhöht die Keimfähigkeit des Saatguts und stärkt die Widerstandskraft der jungen Pflanze, zum Beispiel gegen Schädlinge, und soll zu größeren Erträgen führen.

Bijamrita: Das Saatgut wird mit Dung und weiteren Zutaten zu Kugeln geformt und getrocknet, um die Keimung zu verbessern.

  1. Permanente Bedeckung des Bodens mit Mulch – entweder aus Stroh, Pflanzenabfällen oder Lebendmulch (im Deutschen auch als Bodendecker oder Lückenfüller bekannt).

 

  1. Bodenversorgung mit ausreichend Sauerstoffzufuhr durch ein oberflächliches Pflügen ausschließlich der oberen 5 bis 10 Zentimeter des Bodens oder den kompletten Verzicht auf Pflügen. Eine indirekte Bewässerung, bei der die Pflanze nicht direkt am Stamm bewässert wird, verhindert, dass die Bodenporen mit Wasser gesättigt sind, was die Sauerstoffzufuhr verringert oder unterbindet. Die Bewässerung im Wurzelumkreis fördert zusätzlich die Wurzelbildung, was die Pflanze oder den Baum widerstandsfähiger macht.

Erfolgsprinzip

Warum verbreitet sich Natural Farming so rasch in weiten Teilen Indiens? Selbst hergestellte Produkte unter Verwendung lokaler Ressourcen sind wirtschaftlicher. Die vier Grundsäulen des Natural Farmings können kostspielige Dünger und Pestizide ersetzen. Zuvor trieb die Abhängigkeit von hohen Investitionen für Dünge- und Schädlingsbekämpfungsmittel Landwirte häufig in eine verheerende Schuldenspirale.

Die oftmals unfruchtbaren und ausgelaugten Böden profitieren insbesondere durch die Kombination aus Mulch und fermentierten Präparaten. Die Mulchdecke liefert dabei die Nahrungsgrundlage für die in den Präparaten gezüchteten lokalen Mikroorganismen. Durch die tropischen Temperaturen arbeiten Zersetzer (Destruenten) besonders effizient und setzen in kurzer Zeit zahlreiche essenzielle Nährstoffe frei. Dazu gehört beispielsweise der ansonsten gebundene Phosphor, der nach Stickstoff der zweitwichtigste Pflanzennährstoff und besonders kritischer Mineraldünger ist, da zum einen das mineralische Vorkommen sehr knapp ist und zum anderen die Vorkommen auf wenige Länder begrenzt sind.

Als weiterer Erfolgsfaktor der Präparate zählt die höhere Resistenz der Pflanzen nach einer Behandlung mit entsprechenden Mikroorganismen insbesondere gegen unbeständige, extreme Wettersituationen mit starken Dürren und Monsoon-Regenfällen. Landwirte und auch durchgeführte Forschungsprojekte berichten von beachtlich steigenden Erträgen der Pflanzen. Die mittlerweile große Anzahl der Landwirte, die Natural-Farming-Methoden erfolgreich anwenden, hat dafür gesorgt, dass in Indien die Aufmerksamkeit der politischen Ebene gewonnen werden konnte.

Während die indische Regierung in ihren Budget-Verkündungen von 2019 Natural Farming als eine wichtige Lösung für agrarpolitische Herausforderungen nannte, ist die föderale Ebene bereits einen Schritt voraus. Vereinzelte Bundesstaaten wie Andhra Pradesh und Himachal Pradesh haben sich der Bewegung verschrieben und sind nun dabei, ihre föderale Agrarwirtschaft auf Natural Farming umzurüsten. Weitere Bundesstaaten planen, diesem Beispiel zu folgen.

Bodenbiodiversität in Europa

Da gegenwärtig Förder- und Anreizsysteme der Europäischen Landwirtschaftspolitik Bo-denbiodiversität nur indirekt unterstützen, hebt die Masterarbeit den notwendigen Handlungsbedarf für die Europäische Union hervor, diesem wichtigen Thema in Regulationen Beachtung zu schenken. So sollten Anreize für den Schutz der Bodenbiodiversität durch Methoden wie der Verwendung lokaler Düngepräparate gegeben werden.  Diese Vorgehensweise bietet die Chance, gewisse Defizite der ökologischen Landwirtschaft auszugleichen oder zu ergänzen (wie beispielsweise hoher Flächenbedarf für den Anbau von Gründünger, Kosten für Dünger wie Phosphate), indem der verfügbare Platz effizienter genutzt werden kann und Rotationszyklen flexibler werden. Der hohe Bedarf an Kompost für Düngezwecke kann reduziert werden, da die Präparate die Effizienz des verfügbaren Düngers steigern.

Fazit

Natural Farming ist ein beispielhafter Weg, wie traditionelle Methoden zu neuem Leben erweckt und erfolgreich eingesetzt werden können. Und es ist ein weiterer Beweis dafür, dass der Einsatz vielfältiger Mikroorganismen zu mehr Biodiversität im Boden führt, wovon sowohl Pflanzen als auch Landwirte profitieren können – zum Beispiel über die Besonderheit, dass aufgrund einer vermehrten Mikroben-Population synthetische Düngemittel reduziert werden können. Eine schonende Bodenbearbeitung verhindert Bodenverdichtung und hält Poren zur Wasser- und Luftversorgung intakt. Zudem stellt eine Bedeckung des Bodens mit Mulch die Nahrungszufuhr für Bodenlebewesen sicher.

Julia Köninger

Hier der Link zu Ihrer Masterarbeit: The natural farming movement in India and learnings for the importance attributed to soil biodiversity in the european agriculture policies

Ergänzung des EM e.V.

Die Arbeit von Julia Köninger zeigt, wie wichtig eine funktionierende Mikroflora für ein gut funktionierendes Bodenleben ist. Ein lebendiger Boden bildet eine wichtige Grundlage für den Kreislauf der Natur. Das warme Klima in Indien begünstigt ein gutes Gelingen der Fermentation unter Einbezug lokaler Mikroorganismen. Auch die Art der Fermentation (aerob oder anaerob) hat einen wesentlichen Einfluss auf das Ergebnis. Wie wären die Resultate erst, wenn zusätzlich EM zum Einsatz käme?
EM hat die Fähigkeit, einen Fermentationsprozess aktiv in eine regenerative Richtung zu führen. Die in EM enthaltenen Mikroorganismen schaffen ein mikrobielles Gleichgewicht. Sie unterdrücken pathogene beziehungsweise unterstützen nützliche Organismen und lenken das Milieu in eine lebensfördernde Richtung.

 

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